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Zeit für Gerechtigkeit - Aufnahme dringend notwendiger sozialer Reformen und Gerechtigkeitsfragen in das Wahl- und Regie

Anträge

 

Völlig zu Recht legt unser Kanzlerkandidat Martin Schulz den Schwerpunkt für die Bundestagswahl 2017 auf die Frage der sozialen Gerechtigkeit. Um echte Verbesserungen für die breite Masse der Bevölkerung und insbesondere die Benachteiligten und Abgehängten der Gesellschaft zu bewirken, bedarf es konkreter Vorschläge, die weit über die bisher öffentlich gewordenen Ideen hinausgehen müssen.

Martin Schulz hat die Wähler um einen Vertrauensvorschuss gebeten, und wir haben inzwischen die berechtigte Hoffnung, dass 2017 wieder mehr Menschen bereit sein könnten, der SPD einen solchen Vorschuss zu geben, aller schlechten Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zum Trotz (Hartz IV, Rente mit 67, usw.). Aber wenn die SPD im Falle eines Wahlsieges erneut nicht ausreichend für echte Verbesserungen der konkreten Lebenswirklichkeit der Menschen sorgt, wird sie dauerhaft und nicht unberechtigt massiv an Zustimmung und Bedeutung verlieren. Wir erachten daher die folgenden Forderungen für notwendig und geeignet, um die Gerechtigkeitslücken in unserer Gesellschaft zu verkleinern:

Kapitel 1: Krankenversicherung und Gesundheitswesen

Im Bereich der Absicherung von Krankheitsrisiken haben insbesondere drei Entwicklungen der jüngeren Geschichte zu einer zunehmenden Ungerechtigkeit und Verschlechterung der Situation der Bevölkerung geführt.

Erstens haben sich die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen verschlechtert. Versicherte müssen beispielsweise Sehhilfen selbst finanzieren, Zuzahlungen zu Medikamenten leisten und weite Teile zahnärztlicher Behandlungen im Bereich Zahnersatz privat tragen. Natürlich kann nicht jede gewünschte kosmetische Behandlung von den Kassen übernommen werden, aber wenn heute anders als noch vor wenigen Dekaden Menschen sich aus wirtschaftlichen Gründen Zähne ziehen lassen müssen, weil sie sich die meist erheblichen Eigenanteile für den Zahnersatz nicht leisten können ist das ein sichtbarer Beweis für einen Systemfehler und im Übrigen auch medizinisch alles andere als sinnvoll. Es ist an der Zeit, dass alle medizinisch notwendigen und sinnvollen Maßnahmen in Gänze von den Krankenkassen übernommen werden. In diesem Bereich darf kein Unterschied der Versorgung nach Geldbeutel gemacht und institutionalisiert werden.  

Zweitens ist mit dem Ausstieg der Arbeitgeber aus der paritätischen Beitragsfinanzierung die gesamte finanzielle Last der steigenden Gesundheitsausgaben auf die Arbeitnehmer abgewälzt worden. Die daraus resultierende Ungerechtigkeit ist so offensichtlich, dass keine weitere Begründung für die Abschaffung dieser Sonderprivilegierung der Arbeitgeber notwendig ist.

Drittens ist aus dem sinnvollen Gesundheitswesen ein Gesundheitsmarkt geworden, eine bedenkliche Entwicklung, die nicht nur anhält, sondern sich immer weiter verstärkt. Hier muss sich die Politik die Frage stellen und beantworten, was der eigentliche Sinn des Gesundheitswesens ist. Unserer Auffassung nach soll das System primär Menschen gesund machen, und nicht Renditen für Investoren erwirtschaften. Insoweit ist der Wettbewerbsgedanke - soweit er sich nicht auf medizinische Exzellenz beschränkt - im Gesundheitswesen fehl am Platz. Am offensichtlichsten ist das sicherlich bei der Frage privater statt öffentlicher oder in gemeinnütziger Trägerschaft befindlicher Krankenhäuser. Stichworte hier sind mangelnde staatliche Investitionen, massiver Personalmangel usw. Insgesamt wird im Gesundheitsbereich dringend mehr Staat und weniger Markt gebraucht.

Die grundsätzliche Entscheidung zur Einführung einer Bürgerversicherung begrüßen wir ausdrücklich. Selbst im Bereich  der gesetzlichen Krankenkassen haben die Versicherten heute mit unterschiedlichen Leistungsspektren und unterschiedlichen Zusatzbeiträgen zu kämpfen. Noch gravierender sind die Unterschiede zwischen privaten und gesetzlichen Kassen. Dabei gilt es aber dann bei der Reform den ganzen Weg zu gehen. Eine gesetzliche Pflichtversicherung für jeden einzelnen Bürger. Ein Wettbewerb mehrerer Krankenkassen oder gar wie heute gleich zweier Systeme führt nämlich gerade nicht zu mehr Effizienz, sondern zu teuren Mehrfachstrukturen, die der Versichertengemeinschaft keinerlei Vorteile bieten. Gleiche Beiträge und gleiche umfassende Leistungen für alle sind ein echter Beitrag zu mehr Gerechtigkeit im Land.

Für die Finanzierung der oben geforderten Verbesserungen können u.a. die Einsparungen aus der Reduzierung der Zahl der Krankenkassen, ein Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze und eine einzuführende Verbeitragung anderer Einkommensarten (Kapitalerträge, Honorare, Mieteinnahmen usw.) in Betracht gezogen werden.    

Kapitel 2: Rentenversicherung und Altersvorsorge

Eines der brennendsten Gerechtigkeitsprobleme unserer Zeit ist die Frage der Renten. In den sogenannten Reformen der vergangen Jahre wurden in großem Stil Leistungen gekürt, Bedingungen verschlechtert und Risiken auf die Versicherten abgewälzt. Kleine Änderungen an einzelnen Stellschräubchen sind längst nicht mehr ausreichend, eine Reform, die den Namen auch verdient, ist unverzichtbar. Der falsche Primat der Beitragsstabilität ist aufzugeben und es ist wieder auf die ursprüngliche und eigentliche Aufgabe des Systems - nämlich die Sicherung des Lebensstandards im Alter - abzustellen. Dazu muss sowohl das bisher erfolgte als auch das sich zukünftig abzeichnende Sinken des Rentenniveaus rückgängig gemacht bzw. verhindert werden.

Die Riesterrente hat sich als untaugliches Instrument erwiesen. Insbesondere die Zielgruppen, die sie am dringendsten bräuchten, haben aller Förderung zum Trotz oft nicht die notwendigen Mittel. Die Verträge sind völlig intransparent und überfordern viele Menschen. Zudem sind nicht nur die Kosten unverhältnismäßig hoch, sondern die Versicherungsnehmer müssen ein wahrhaft biblisches Alter erreichen, wenn sie nach ihren Beiträgen auch einen Teil der eventuellen Rendite selbst bekommen und nicht nach ihrem Tod den Versicherungskonzernen  überlassen wollen.

Auch die jetzt angestrebte Stärkung der Betriebsrenten, die nach wie vor nur einem Teil Bevölkerung zugänglich sind, ist nicht zielführend. Entgeltumwandlungen haben neben den üblichen Risiken kapitalgedeckter Vorsorge den zusätzlichen Nachteil, dass durch die Umwandlung weniger Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden, was kontraproduktiver Weise damit die Ansprüche an die gesetzliche Rente automatisch reduziert. Das kann man nur als Irrsinn bezeichnen.

Statt weiter mit dritten, vierten und x-ten Säulen die Altersvorsorge zu verkomplizieren und zu entsolidarisieren, ist eine Ertüchtigung der ersten und grundlegenden Säule, nämlich der gesetzlichen Rente notwendig. Durch die Abschaffung der Förderung anderer Modelle stehen sowohl staatliche Zuschüsse als auch Eigenanteile der Versicherten für Beitragserhöhungen zur Verfügung - an der sich dann auch noch die Arbeitgeber paritätisch zu beteiligen hätten, was ihnen bei den bisherigen kapitalgedeckten Systemen weitgehend ungerechtfertigter Weise erspart bleibt. Mit einer solchen Finanzspritze kann die Rentenversicherung auch bei höheren Leistungen langfristig gesichert werden. Zudem ist auch hier die Einführung einer verpflichtenden Bürgerversicherung sinnvoll, die dann ebenfalls alle Einkommensarten berücksichtigen müsste. Auch hier ist die bisherige Beitragsbemessungsgrenze abzuschaffen. Um gleichzeitig Altersarmut auszuschließen und das Problem sehr hoher Ansprüche bei sehr hohen Beiträgen zu entschärfen sollte einerseits eine Mindestrente von 1.000 EUR monatlich für jeden eingeführt werden (womit sich das für viele Betroffenen demütigende System der Grundsicherung im Alter überlebt hätte) und zum anderen der beitragsabhängige Rentenanspruch ab einer Höhe von 2.000 EUR monatlich nur noch degressiv steigen.

Welche Möglichkeiten ein funktionierendes Umlagesystem für die Versicherten bietet, kann man beispielsweise bei unseren Nachbarn in Österreich betrachten, die mit ähnlichen Rahmenbedingungen deutlich höhere Renten für den Eckrentner erzielen.

Letztendlich ist das Renteneintrittsalter ohne Abschläge wieder auf 65 Jahre abzusenken. In der Praxis wirken schon die jetzt gültigen 67 Jahre überwiegend als Rentenkürzung - von den nur als Drohungen zu bezeichnenden Gedankenspielen neoliberaler Verbände und Parteien über noch höhere Lebensarbeitszeiten gar nicht zu reden. Die Politik muss sich von dem neoliberalen Gruselmärchen des demographischen Wandels freimachen. Zum Ersten sind die positiven Entwicklungen der Produktivität bislang stets größer ausgefallen als die ungünstigen demographischen Faktoren, zum Zweiten wird die Digitalisierung tendenziell zu weniger Beschäftigung führen, so dass ohnehin Arbeit neu verteilt werden muss und ein immer längeres Arbeiten der Alten daher nicht notwendig ist und zum Dritten existiert sowohl in Deutschland als auch in Europa und vor allem global ein Überschuss an Arbeitskräften (auch wenn ggf. Qualifizierung nötig sind), der genutzt werden kann. Es gibt insgesamt keinen vernünftigen volkswirtschaftlichen Grund für immer längere Lebensarbeitszeiten. 

Kapitel 3: Arbeitslosenversicherung und Grundsicherung

Martin Schulz hat für den Bereich des ALG 1 mit der Einführung des ALG Q bereits vorsichtige Reformschritte angekündigt. So richtig der Ansatz auch ist, er greift noch deutlich zu kurz. Das große Problem in diesem Bereich ist die Gestaltung und vor allem die Wirkung des ALG 2, bekannt als Hartz IV. Sogar noch stärker als die Rente mit 67 hat diese sogenannte Reform die Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit der SPD bei der Masse der Menschen ruiniert.  

Mag die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in der Theorie auch vernünftig geklungen haben, in der Wirkung für die Betroffenen erweist sich die Ausgestaltung als verheerend. Die Arbeitslosenversicherung, die Menschen nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes auffangen sollte, greift faktisch nach dem Ablauf der Bezugsdauer des ALG 1 - oder zukünftig des ALG Q - überhaupt nicht mehr, die Betroffenen fallen in kürzester Zeit auf das selbe niedrige Niveau herab wie Menschen, die nie in die Kasse eingezahlt haben. Dies führt den ursprünglichen Versicherungscharakter ad absurdum und stürzt die Betroffenen in Armut. Dabei sollte auch die Arbeitslosenversicherung eigentlich beim Erhalt des Lebensstandards helfen, während jetzt die Betroffenen auch mühsam ersparte Reserven verschleudern müssen und damit für ihre Vorsorge bestraft werden. Zusätzlich hat die Streichung aller Zumutbarkeitskriterien bei der Aufnahme neuer Arbeit nach neoliberaler Blaupause eine Vielzahl der prekären Arbeitsverhältnisse mit all ihren bekannten Problemen erst geschaffen, für die sich nach alter Rechtslage schlicht kaum jemand gefunden hätte. Und in der Praxis erweist sich für die Betroffenen ein Wiederaufstieg meist als schwer bis unmöglich. Das mit dem ALG 2 verbundene Sanktionsunwesen setzt die Betroffenen in ihrer ohnehin schweren Lebenssituation gewollt zusätzlich unter Druck. Es bleibt mit dem Anspruch einer menschenwürdigen Politik in jedem Fall unvereinbar, Menschen und Familien aus welchem Grund auch immer das Existenzminimum zu beschneiden.

In gleichem Maße hat das ALG 2 aber auch schädliche Einflüsse auf weite Teile der Menschen, die bislang nicht selbst betroffen sind. Das Wissen um das Risiko, im Falle von Arbeitslosigkeit schnell und dauerhaft zu verarmen ist eine tägliche systemimmanente Bedrohung. Die Furcht davor prägt den Alltag und auch das Verhalten und die Entscheidungen zahlloser Beschäftigter. Dieses Angstregime diszipliniert weite Teile der Arbeitnehmerschaft in einem Maße, das wir seit dem Ende der Kaiserzeit in den (west-) deutschen Republiken für überwunden glaubten. In der Folge nehmen zahlreiche Menschen ihre Rechte gegenüber dem Arbeitgeber nicht oder nur eingeschränkt war, unbezahlte Überstunden, Urlaubsverzicht, Arbeit trotz Krankheit sind die Wirkung. Von einer Begegnung auf Augenhöhe kann in der Praxis weniger denn je die Rede sein. Die individuelle Angst führt auch zu einer kollektive Lähmung, die Gewerkschaften werden schwächer und weniger streikfähig. In Verbindung mit der Tarifflucht vieler Arbeitgeber verschlechtern sich die allgemeinen Arbeitsbedingungen zusätzlich, zahlreiche Menschen erleiden reale Kaufkraftverluste statt den ihnen zustehenden Anteil am gesamtgesellschaftlichen Wohlstandszuwachs zu erhalten.

Um die größten Gerechtigkeitslücken in diesem Bereich zu schließen muss erstens die Einzahlungsdauer in eine Relation zur Bezugsdauer des ALG 1 gebracht werden, zweitens sind die unsinnigen Sanktionen ersatzlos zu streichen, drittens dürfen zum Schutz gerade der vielen betroffenen Kinder Leistungen wie das Kindergeld nicht anspruchsmindernd eingerechnet werden und viertens sind die Sätze insgesamt dringend auf ein deutlich höheres, mit den realistischen Kosten für eine echte Teilhabe an der Gesellschaft vereinbares Niveau anzuheben. Im ersten Schritt dürfte dafür eine Erhöhung auf wenigstens 500 EUR pro Person der Bedarfsgemeinschaft zuzüglich eines bedarfsdeckenden Wohngeldes unverzichtbar sein.

Kapitel 4: Steuerpolitik und die Frage, welche Art von Gerechtigkeit wir wollen

Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass alle Forderungen nach mehr Gerechtigkeit nur umgesetzt werden können, wenn auch die dazu notwendigen Mittel zur Verfügung stehen. Doch muss eine Gesellschaft auch entscheiden, welche Art von Gerechtigkeit sie eigentlich will.

Nach neoliberaler Auffassung sollte das Ziel Leistungsgerechtigkeit lauten. Nun wird niemand bestreiten, das sich Leistung auch lohnen soll, aber zumindest aktuell fehlt dafür offensichtlich eine vernünftige Definition des Leistungsbegriffs. Denn in unserer Gesellschaft steht Leistung oft weniger für sehr harte Arbeit wie in klassischen Arbeiterberufen noch für sehr verantwortungsvolle Arbeit wie etwa in Pflegeberufen als vielmehr für das Verschieben möglichst großer Geldsummen zum eigenen Vorteil ohne Rücksicht auf Auswirkungen auf die Gesellschaft und die eigenen Beschäftigten. Insoweit ist dieser Begriff zumindest alleinstehend untauglich.   

Beliebt ist - durchaus aus in unseren eigenen Reihen - die Forderung nach Chancengerechtigkeit. Natürlich klingt das zunächst erstrebenswert. Nur leider ist diese niemals vollkommen zu realisieren. Menschen haben durch Erbanlagen, Sozialisation und Umfeld unterschiedliche Begabungen, Fähigkeiten und auch Ressourcen. Möglicherweise kann die Politik den Ressourcenvorteil relativieren, wenn auch nicht ausschalten. Dazu ist vor allem kostenfreier Zugang zu Bildung für alle Kinder von der Krippe bis zur Uni unabdingbar und baldmöglichst zu garantieren. Aber spätestens bei den kognitiven Fähigkeiten des Einzelnen kann irgendwann auch die beste Bildungspolitik keine Gleichheit herstellen. Und selbst wenn dies möglich wäre, bleibt das Problem, das vielleicht jeder einen Job machen kann, aber nicht alle - jedenfalls nicht gleichzeitig. Was nützt dann dem, der es nicht geschafft hat die Tatsache, dass er es hätte schaffen können? Natürlich sollte Jeder möglichst gute Chancen haben, aber das entbindet progressive Politik nicht davon, sich um die zu kümmern, die ihre Chancen nicht nutzen konnten.

Bleibt als wichtiges Element die Verteilungsgerechtigkeit. In diesem Feld kann Politik verhältnismäßig leicht und nachhaltig eingreifen und damit die Schwächen der anderen Gerechtigkeitstheorien ausgleichen. Es geht dabei nicht um totale Gleichheit aller Lebens- und Einkommensverhältnisse, sondern um die Linderung der extremen Armut auf der einen und die Begrenzung exponentiell wachsenden Reichtums auf der anderen Seite der Gesellschaft. Ziel muss ein geringer werdender Unterschied zwischen den Menschen und damit eine Gesellschaft mit sinkender statt steigender Ungleichheit sein. Ein Ziel, dass der SPD nicht neu ist, sondern nur endlich wieder zur Prämisse der Politik werden muss.

Das Mittel der Wahl für die Finanzierung der anstehenden Aufgaben ist logischerweise das Steuersystem. Grundsätzlich ist angesichts des zu erwartenden Mittelbedarfs kein Raum für irgendwie geartete Steuersenkungen vorhanden. Im Gegenteil müssen dringend zusätzliche Einnahmen generiert werden. Dabei ist allerdings eine differenzierte Betrachtung notwendig.

Der Bereich der Verbrauchssteuern hat eine Höhe erreicht, die nicht weiter ausgebaut werden sollte. Gerade die unteren und mittleren Schichten werden nämlich überproportional durch Verbrauchssteuern aller Art belastet, so dass hier keine Veränderungen angezeigt sind.

Die Besteuerung von Unternehmern und Kapitalgesellschaften muss angeglichen werden. Dabei ist dafür Sorge zu tragen, dass Gewinne dort versteuert werden, wo sie anfallen, statt sie in Steueroasen zu transferieren. Das stärkt nicht nur den Mittelstand im Wettbewerb gegen globale Konzerne, sondern generiert auch deutliche Mehreinnahmen. Auch die längst überfällige Finanztransaktionssteuer ist endlich einzuführen.

Im Bereich der Einkommensteuern haben die Abgaben für untere und mittlere Einkommen ebenfalls die Belastungsgrenze erreicht. Ganz im Gegensatz dazu ist am oberen Ende der Steuertabelle reichlich Luft nach oben. Oberhalb des bisherigen Spitzensteuersatzes sollten beginnend ab einem Jahreseinkommen von 100.000 EUR pro Person weitere und deutliche Steuererhöhungen vorgenommen werden. Dabei sind insbesondere die Reduzierungen seit dem Ende der 90er Jahre zurückzunehmen. Auch müssen alle Einkommensarten der Besteuerung unterliegen. Eine Privilegierung von leistungslosen Kapitaleinkünften gegenüber Einkommen aus Arbeit ist das genaue Gegenteil sozialdemokratischer Ideale und gehört abgeschafft.

Letztendlich muss eine wirksame Gegenstrategie zur Steuerflucht gerade der reichen Eliten entwickelt werden. Wir empfehlen dazu analog des US-amerikanischen Vorgehens die Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft zu koppeln. Dann können Steuerflüchtlinge nur noch ihre im Ausland gezahlten Steuern gegenrechnen, sich aber nicht mehr legal durch Wegzug ihrer Verpflichtungen entledigen.